Wie es für die Varta-Aktionäre weitergeht

Wie es für die Varta-Aktionäre weitergeht Interview Rechtsanwalt Tobias Humpf aus Aalen erklärt, warum er im der Fast-Pleite bei Varta ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung bevorzugt hätte – und was Aktionärinnen und Aktionäre jetzt tun sollten. Von Bernhard Hampp

Der Ellwanger Batteriehersteller Varta AG hat angekündigt, sich über einen Schuldenschnitt sanieren zu wollen. Die bisherigen Aktionäre drohen bei diesem Verfahren leer auszugehen. Der Aalener Rechtsanwalt Tobias Humpf, Fachanwalt für Insolvenz und Sanierungsrecht, sowie Bank und Kapitalmarktrecht, führt seit mehr als 20 Jahren über 1000 Fälle zu erfolgreichen Ergebnissen geführt. Er erklärt, was Aktionäre nun tun sollten.

Was ist es für ein Verfahren, mit dem sich Varta entschulden will?

Varta AG plant, sich durch ein Restrukturierungsverfahren nach dem deutschen Restrukturierungsrahmen (StaRUG) zu entschulden. Dieses Verfahren ermöglicht es Unternehmen, ihre Schulden außerhalb eines formellen Insolvenzverfahrens umzustrukturieren. Es bietet die Möglichkeit, einen Restrukturierungsplan mit den Gläubigern zu verhandeln und zu verabschieden, der unter bestimmten Bedingungen auch gegen den Willen einzelner Gläubiger durchgesetzt werden kann.

Wovon hängt es ab, ob dieses Verfahren in Kraft tritt?

Das StaRUGVerfahren tritt in Kraft, wenn zum einen ein Restrukturierungsplan erstellt und den Gläubigern vorgelegt wird, die Mehrheit der betroffenen Gläubiger dem Plan zustimmt sowie das zuständige Restrukturierungsgericht den Plan bestätigt, sofern er die gesetzlichen Anforderungen erfüllt.

Gab es bereits ähnliche Fälle?Ähnliche Restrukturierungsverfahren nach dem StaRUG wurden bereits bei anderen deutschen Unternehmen durchgeführt. Ein bekanntes Beispiel ist die Restrukturierung der Adler Modemärkte AG. Solche Verfahren sind besonders für mittelständische Unternehmen relevant, die eine geordnete Entschuldung ohne die negativen Folgen einer Insolvenz anstreben.

Was ist der Unterschied zu einem Insolvenzverfahren?

Ein Insolvenzverfahren ist ein formelles gerichtliches Verfahren zur Abwicklung oder Sanierung eines zahlungsunfähigen Unternehmens. In der Regel wird ein Insolvenzverwalter eingesetzt, der die Kontrolle über das Unternehmen übernimmt. Ein StaRUGVerfahren ist ein außergerichtliches Restrukturierungsverfahren, das dem Unternehmen ermöglicht, weiterhin operativ tätig zu bleiben. Ein Restrukturierungsbeauftragter kann bestellt werden, ist aber nicht zwingend erforderlich.

Hätten Sie ein Insolvenzverfahren als sinnvoller angesehen?

Ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung (Schutzschirmverfahren) könnte sinnvoll sein, wenn eine umfassendere gerichtliche Kontrolle und ein gerichtlicher Schutz vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gewünscht sind. Dies könnte auch Vertrauen bei den Gläubigern und Aktionären schaffen. Mir persönlich ist das Eigenverwaltungsverfahren lieber und gegebenenfalls auch kostengünstiger, obwohl dies nach den gesetzlichen Vorgaben nicht sein sollte. Ich denke hier wurde das Verfahren gewählt, um möglicherweise das Wort „Eigenverwaltung“ zu vermeiden.

Es ist nun von „Enteignung“ der VartaAktionäre die Rede.

Eine „Enteignung“ der VartaAktionäre könnte zutreffen, wenn im Rahmen des Restrukturierungsplans erhebliche Kapitalmaßnahmen durchgeführt werden, wie zum Beispiel Kapitalherabsetzungen oder erhöhungen, die den Wert der bestehenden Aktien massiv verwässern oder gar entwerten. Dies ist jedoch rechtlich keine Enteignung im klassischen Sinne, sondern eine notwendige Maßnahme zur Sanierung des Unternehmens. Nachdem der Aktienkurs ja ohnehin massiv gefallen ist, sind die Aktionäre je bereits jetzt betroffen.

Was passiert mit dem verbundenen Stimmrecht?

Das Stimmrecht der Aktionäre könnte durch Maßnahmen wie Kapitalherabsetzungen und anschließende Kapitalerhöhungen stark verwässert werden. Dies hängt von den genauen Bestimmungen des Restrukturierungsplans ab. Aktionäre könnten ihre bisherigen Stimmrechte verlieren oder stark eingeschränkt sehen.

Haben sich auch Kommunen in großem Stil als VartaAktionäre engagiert?

Hierzu liegen keine spezifischen Informationen vor. Sollte dies der Fall sein, könnten Kommunen als institutionelle Anleger betroffen sein und entsprechende Maßnahmen ergreifen müssen, um ihre Interessen zu schützen. Die Kommunien sind ja durch Steuerausfälle oder auch mittelbar durch den Personalabbau betroffen.

Für Personen, die VartaAktien besitzen: Was ist jetzt zu tun?

Privatanleger sollten die Entwicklungen aufmerksam verfolgen und Informationen der Varta AG sowie der Medien einholen. Gegebenenfalls sollten sie rechtlichen Rat einholen, um ihre Rechte und Handlungsmöglichkeiten zu verstehen. Außerdem: überlegen, ob sie an Gläubigerversammlungen oder ähnlichen Veranstaltungen teilnehmen, um ihre Interessen zu vertreten.

Was passiert, wenn VartaAktionäre einfach nichts tun?

Sollten Aktionäre nichts unternehmen, werden die Maßnahmen des Restrukturierungsplans ohne ihre aktive Mitwirkung durchgeführt. Dies könnte zu einem erheblichen Wertverlust ihrer Aktien führen, ohne dass sie die Möglichkeit haben, Einfluss zu nehmen oder sich zu wehren.

Gibt es Möglichkeiten, sich gegen die Enteignung zu wehren?

Ja, Aktionäre können mittelbar im Rahmen der Hauptversammlung ihre Rechte waren.

Werden VartaAktien zu einem späteren Zeitpunkt wieder an der Börse gehandelt werden?

Dies hängt von der erfolgreichen Umsetzung des Restrukturierungsplans ab. Sollte die Restrukturierung gelingen, könnten die Aktien weiterhin oder wieder gehandelt werden. Andernfalls könnte eine Delistung erfolgen.

Erscheint Ihnen der Weg der Varta AG Erfolg versprechend?Der Erfolg des Weges hängt von mehreren Faktoren ab: Der Zustimmung und Unterstützung der Gläubiger, der Effektivität des Restrukturierungsplans sowie den markt und wirtschaftlichen Bedingungen.

Entsteht ein Imageschaden für das Unternehmen?

Die Reaktionen könnten gemischt sein. Während Gläubiger und Investoren eine erfolgreiche Restrukturierung begrüßen könnten, könnte es bei anderen Stakeholdern, insbesondere Aktionären, zu negativen Reaktionen und einem Imageschaden kommen. Langfristig könnte der Erfolg des Plans jedoch das Vertrauen wiederherstellen.

Was ist die Langfristperspektive des Unternehmens nach der Restrukturierung?

Das hängt davon ab, welche Maßnahmen Varta AG plant, um langfristig wieder profitabel zu werden und das Vertrauen der Investoren zurückzugewinnen. Dies umfasst strategische Geschäftsentscheidungen, Investitionen in neue Technologien oder Märkte und die Verbesserung der operativen Effizienz.